Das formale Krankheits-Verständnis
Die Dupuytren-Krankheit (Morbus Dupuytren, La maladie de Dupuytren, Dupuytren's disease) ist eine Erkrankung des Bindegewebes im Greifflächenbereich der Hand. Das vererbbare Leiden, das mit knotigen Verdickungen und Verhärtungen unter der Haut beginnt, wird den gutartigen Bindegewebstumoren (Fibromatosen) zugerechnet. Es befällt Männer sehr viel häufiger als Frauen. Die Krankheit tritt meist erst im 6. und 7. Lebensjahrzehnt auf. Eine Erkrankung in jüngeren Jahren aber ist durchaus möglich – dann oft mit einer gesteigerten Prozessaktivität.
Die Palmarfibromatose, wie die Dupuytren-Krankheit von Medizinern auch genannt wird, führt bei jedem 4. bis 5. Patienten zu einer meist progressiven Fingerkrümmung. Das der Fingerkrümmung (Fingerkontraktur) zugrunde liegende formale Prozessgeschehen wird bis heute unterschiedlich interpretiert.
Während die Lehrmeinung davon ausgeht, dass vorgegebene Faserstrukturen mittels aktiver Zellleistung die Finger zur Hohlhand hin zusammenziehen bzw. kontrahieren, haben eigene anatomisch-pathologische Untersuchungen an der Universität Heidelberg vor über 40 Jahren gezeigt, dass die Dupuytrenkrankheit das Weichgewebe der Hand derart umbaut, dass es seine für die Fingerstreckung so bedeutsame Mobilität und Flexibilität verliert. Dadurch werden die bei Tag wie vor allem bei Nacht vorwiegend gebeugt gehaltenen Finger in ihrer dominanten Beugeposition festgehalten – es kommt zu einer Blockierung der Fingerstreckung und damit zu einem messbaren Streckdefizit.
Zum Krankheitsverständnis ein Blick auf die lebende Hand:
Die Fingerweichteile in der gesunden Hand:
In der geöffneten Hand wird das mobile Gewebe über dem Fingerskelett auseinander gezogen (gelbe Punkte); Das Gewebe im Hohlhandzentrum (grünes Band) ist stationär verankert.
Beide Gewebeportionen bilden ein Gewebe-Nebeneinander, kein Gewebe-Kontinuum.
Bei Fingerbeugung wird das Weichgewebe über der sich verkürzenden Fingerskelettfläche zusammengeschoben, aufgefaltet und an das Hohlhandgewebe gedrückt:
Die dominante Gewebeformation bei Tag und in der Nacht.
Die Dupuytrenkrankheit hält die Beugeformation des Fingergewebes fest:
Das einwachsende Bindegewebe führt zum Mobilitätsverlust des sich verhärtenden Fingergewebes.
Die Beugefalten können nicht mehr entfaltet werden ... Klammer-Effekt!
Das in der Beugeformation gleichsam einzementierte Gewebe hält den Finger in seiner Beugeposition fest. Der Finger kann nicht mehr komplett gestreckt werden.
Die Kontraktur des Fingers, seine Krümmung damit ein Festgehaltenwerden in Beugeposition – nicht das Ergebnis einer aktiven Kontraktion. Es wird heute deshalb von einer »passiven Kontraktur« gesprochen.
Der Klammereffekt der Dupuytrenkrankheit
am Beispiel des in seiner Streckführung blockierten Fingergrundgelenkes:
Die durch das einwachsende Bindegewebe sich verfestigende Beugefalte (Kreis) blockiert die Fingerstreckung.
Durch den Umbau des Finger- und Handgewebes wird das Nebeneinander von Finger- und Handgewebe zusammengebunden zu einem verbundenen Gewebekomplex.
Das aber führt über dem bewegten Finger zu einer krankhaften Zugbelastung des Gewebe-Kontinuum, das sich reaktiv zu den sichtbaren Strängen ausformt (rotes Band).
Das aufgezeigte Prozessmodell der passiven Kontraktur wurde von anatomischen Schnittbildern aus Händen Erwachsener in der Zusammenschau mit den Gewebeverformungen über den bewegten Fingern abgeleitet.
Die faszinierenden Einblicke in das intakte Unterhautgewebe verdankt der Autor dieser Seiten dem Anatomen G. v. Hagens, der die ersten Komplettschnitte in den späten 70ern als Scheibenplastinate zur Verfügung stellte.